Verrat, und immer wieder Verrat

„Guck mal, was meine Mutter mir weitergeleitet hat“, sagt die neue Kollegin. Ute beugt ihren roten Schopf über das hingehaltene Handy. „Liebe Angelika“, steht da. „Welche geilen Wünsche kann ich Dir heute erfüllen? Dein ....“
„Nein, oder? Der unfreundliche Knilch aus der oberen Etage!“
„Und Ledertangas soll er tragen“, kichert die neue Kollegin.
„Hihihi“, sagt Ute.

Würde sie Shakespeare kennen, Machiavelli, Schopenhauer, wüsste sie, was das Stündlein geschlagen hat: Kein Midlife-Crisis geschüttelter Mittvierziger kann den knackigen Angelikas dieser Stadt jetzt noch mit zitternden Fingern SMS schreiben. Wie kann er sicher sein, dass sein ausgefeiltes Eroticon nicht an interessierte Freundinnen weitergeleitet werden, die sie interessierten Töchtern weiterleiten, die sie interessierten Kolleginnen zeigen, die davon interessierten Bekannten erzählen?

Ein bisschen leid tut der unfreundliche Knilch der rundlichen Ute schon. Wenn die Weiterleitung in dem Tempo weitergeht, hat bald seine 12-jährige Tocher die SMS auf dem Handy. Andererseits, hält Ute Schopenhauer und Shakespeare entgegen, selbst dann wird die Sache irgendwann in Vergessenheit geraten. Wie alles in dieser Behörde. „Ach ja“, seufzt Ute und wendet sich wieder dem Bildschirm zu.

HIRN? WELCHES HIRN?

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